OTTO – ein Name, der über Generationen hinweg in deutschen Haushalten präsent war und für viele synonym mit dem Begriff des Versandhandels steht. Doch die charakteristischen, dicken Kataloge, die einst in den Briefkästen landeten und zum gemütlichen Stöbern auf dem Sofa einluden, gehören längst der Vergangenheit an.
Stattdessen hat sich das Hamburger Unternehmen OTTO konsequent vom traditionellen Versandhandel verabschiedet und ist heute ein global agierender E-Commerce-Gigant. Zum 75-jährigen Jubiläum werfen wir einen ausführlichen Blick auf die bemerkenswerte Transformation dieses deutschen Traditionsunternehmens, seine Anpassungsfähigkeit an den digitalen Wandel und die Herausforderungen, die es in der modernen Geschäftswelt zu bewältigen hat.
Als OTTO 1949 seine Reise mit der Gründung durch Werner Otto begann, war das Unternehmen nichts weiter als ein kleiner Versandhandel, der seine Produkte über handgebundene Kataloge vertrieb. Der erste Katalog im Jahr 1950, der lediglich 28 Paar Schuhe enthielt, markierte den Anfang einer Erfolgsgeschichte. Innerhalb eines Jahrzehnts etablierte sich OTTO als einer der größten Versandhändler Deutschlands, und der berühmte OTTO-Katalog, der bis 2018 gedruckt wurde, avancierte zu einem Symbol für den klassischen Versandhandel.
Mit dem Aufkommen des Internets in den 1990er Jahren stand OTTO vor einer richtungsweisenden und schwerwiegenden Entscheidung: Festhalten am bewährten Kataloggeschäft oder der Sprung ins Ungewisse des E-Commerce. OTTO entschied sich für den digitalen Wandel und Handel - das Unternehmen sollte diese Entscheidung nicht bereuen. Die Investition in die eigene Online-Plattform und die konsequente Ausrichtung auf den digitalen Handel markierten den Beginn einer neuen Ära.
Heute gehört OTTO zu den führenden E-Commerce-Unternehmen und -Gruppen in Europa und vereint mehrere Dutzend Plattformen, Marken, Händler und Services unter dem Dach der OTTO Group. Marc Opelt, Vorsitzender des Bereichsvorstands bei OTTO, fasst die Entwicklung zusammen: "75 Jahre sind eine stolze Zahl und trotzdem war OTTO noch nie so jung wie heute". Das Traditionsunternehmen hat sich früh aus der Komfortzone gewagt - und gewonnen.
Christoph Wenk-Fischer, Geschäftsführer des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH), betonte bereits 2020 in einem Interview, dass "E-Commerce eine permanente Prozessoptimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette lebt." und beschreibt damit den Kern der modernen Handelswelt.
Der Übergang vom traditionellen Versandhandel zum modernen E-Commerce war für OTTO ergo nur durch den konsequenten Fokus auf technologische Innovationen möglich. Das Unternehmen hat frühzeitig erkannt, dass der Erfolg im digitalen Zeitalter maßgeblich von der Fähigkeit abhängt, neue Technologien zu adaptieren und in die Geschäftsprozesse zu integrieren.
Video-Tipp
Transform or Die!? Auf der K5 2023 hat Sebastian Klauke (Member of the Executive Board | Otto Group) spannende Insights über die digitale Transformation der Otto Group geteilt.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die Künstliche Intelligenz, die OTTO in zahlreichen Bereichen einsetzt. Ob bei der personalisierten Kundenansprache, der Optimierung von Lieferketten oder der Verbesserung der Benutzererfahrung auf der Plattform – KI ist der Schlüssel, um im hart umkämpften Online-Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Bei den OTTO-Partnern LEGO und Miele setzt die Gruppe bspw. seit kurzem auf Live Shopping mit Augmented Reality-Unterstützung.
Geschwindigkeit, Effizienz und Kundenzufriedenheit sind entscheidende Erfolgsfaktoren - heute noch mehr als im ersten Boom des Onlinehandels 2020. Für OTTO und Mitbewerber bedeutet das die kontinuierliche Investition in Technologie und Infrastruktur, um die eigenen Prozesse zu optimieren und die Kundenerwartungen zu übertreffen.
In der globalisierten Welt von heute sieht sich die OTTO Group jedoch nicht nur mit den Anforderungen des technologischen Wandels konfrontiert, sondern auch mit einem zunehmend kompetitiven Marktumfeld. Insbesondere die Konkurrenz aus Asien stellt eine ernstzunehmende Herausforderung dar.
Unternehmen wie Temu und Shein haben den europäischen Markt im Sturm erobert und setzen traditionelle Händler wie OTTO und Amazon unter erheblichen Druck. Mit ihrer aggressiven Preispolitik und der Fähigkeit, Trends schneller als jeder andere Anbieter aufzugreifen, haben sie sich in kürzester Zeit eine kaufkräftige und treue Kundschaft aufgebaut.
Noch mehr zu digitalen Plattformen und Marktplätzen erfährst Du in diesen Folgen unserer K5 Podcasts:
Refurbed: Das Amazon der Kreislaufwirtschaft
OBI First Media Group: Triple Win dank Retail Media
Wir wollen nicht auf Marktplätze! Aber warum?
Diese Entwicklung zwingt europäische Händler, sich neu zu positionieren. Während die chinesischen Wettbewerber oft keine Rücksicht auf europäische Standards und Nachhaltigkeit nehmen, versuchen europäische Player wie OTTO oder Zalando mit Qualität, Nachhaltigkeit und ethischem Wirtschaften ein Gegengewicht zu bilden. Dafür stellt man strenge Anforderungen in Bezug auf Produktqualität, Lieferstandards und Umweltverträglichkeit an seine Händler - auch, um mit dem (für einen Marktplatz) kuratierten Sortiment globalen Plattformen und Playern wie Amazon oder eBay voraus zu sein.
Auch die Sustainability Agenda des Traditionsunternehmens kann als Teil dieser Strategie betrachtet werden. Nun sind Klimaschutz und sozial-nachhaltiges Handeln laut Angaben der OTTO Group bereits seit 1986 als Unternehmensziel verankert. Und wie viele andere große Player des Onlinehandels hat auch das Hamburger Unternehmen zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um seinen ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Damit erfüllt die Gruppe nicht nur die Erwartungen von KundInnen an digitale Händler, sondern setzt einen Gegenpol zur wachstumsstarken, aber als wenig klimaverträglich verschrienen (asiatischen) Konkurrenz.
Die Geschichte von OTTO ist eine Geschichte des Wandels und der Anpassung. Vom kleinen Hamburger Versandhandel, der seine ersten Schritte mit einem handgebundenen Katalog machte, hin zu einem der größten E-Commerce-Unternehmen Europas – der Handels-Gigant hat immer wieder bewiesen, dass es in der Lage ist, sich neuen Herausforderungen zu stellen, mit Rückschlägen umzugehen und sich an die dynamischen Marktbedingungen anzupassen.
In einer eindeutig digitalen Welt hat OTTO den Ruf der Transformation frühzeitig gehört und seinem ursprünglichen Geschäftsmodell (und seiner ursprünglichen Zielgruppe) dennoch so lange wie möglich die Treue gehalten. Was die nächsten 75 Jahre für einen Riesen wie OTTO bringen, ist schwer zu sagen - immerhin ist der Onlinehandel mal überraschend vorhersehbar und mal einfach nur überraschend. Nur so viel ist sicher: Katalog-los werden sie sein.