Kein Handel scheint derzeit so schnelllebig zu sein wie der E-Commerce. Da stellt sich die Frage, ob die Einschätzungen unserer Experten der K5 FUTURE RETAIL CONFERENCE 2023 nach einem halben Jahr noch aktuell sind. Auf der diesjährigen K5 Konferenz stellten die K5 Hosts Stefan Wenzel, Erik Siekmann, Dörte Kaschdailis, Johannes Altmann, Alexander Graf und Marcel Brindöpke mit der Unterstützung von Philip Kehela ihre Meinungen in K5 on FYRE: 6x3 Thesen zur aktuellen Marktentwicklung vor. Zum Jahresende haben wir die Experten erneut gefragt, ob sie für ihre Thesen immer noch brennen oder ob sie ihre Meinung geändert haben.
In unserem diesjährigen K5 Advent geben die K5 Hosts ihre aktuellen Statements ab. Im dazugehörigen YouTube Video auf dem K5 Channel werden noch einmal die Thesen der Konferenz 2023 aufgegriffen. Jeden “Advents-Donnerstag” gibt es einen neuen Schwung brennender Thesen. Viel Spaß und eine schöne Adventszeit!
Kurz nach der Blackweek und einem Jahr voller Rabatte könnte das Thema nicht aktueller sein. Die schwache Nachfrage im Handel und steigende Kapitalkosten erhöhen den Druck auf Kosten und Bestände. Der größte Hebel auf das Ergebnis ist - für viele überraschend - der Preis. Denn wie Pricing-Papst Prof. Simon vorrechnet, führt eine Verbesserung der Preise um 5% zu 50% mehr Ergebnis. Oder umgekehrt: Wer 20% Rabatt gibt, halbiert bei gleichem Absatz das Ergebnis. In der Entkoppelung von Warenwert und Zahlungsbereitschaft liegt der eigentliche Hebel, es geht um den emotionalen Nutzen. Dass man dafür nicht Hermès oder Apple sein muss, zeigen Influencer Colabos, Celebrity Energy Drinks und Co. Es geht nicht um möglichst viel, sondern um das richtige Angebot.
Die Rabattschlachten gehen ungebremst weiter, Klickpreise stagnieren auf hohem Niveau mit Tendenz zu saisonalen Anstiegen. Das hat sich vor, während und nach Black-Friday gezeigt und wird sich im Weihnachtsgeschäft wiederholen. Nur mit sehr granularer Steuerung kann man sich vom Würgegriff der Plattformen fernhalten bzw. befreien.
Bei dieser These bleibe ich zu 100%. Es wird immer deutlicher, dass einsame Handelsritter in Schwierigkeiten kommen. Sei es durch nicht-belastete Beziehungen zu Lieferanten, Streitigkeiten mit Dienstleistern oder Abmahnschlachten mit dem Wettbewerb. In meinen Augen liegt große Hoffnung auf diejenige Player, die es schaffen belastbare Beziehungen in ihren Ecosysteme aufzubauen, nicht nur per Handschlag, sondern auch mit richtigem Tun und z.B. hochintegriertem Datenaustausch. Dann habe ich noch etwas gelernt. Lange sprachen wir von der VUCA-Welt: eine unbeständige, unsichere, komplexe und mehrdeutige Wirkungsumgebung. Schon das bedeutete, dass Entscheider: innen darauf angewiesen sind, belastbar in ihren Wirtschaftssystemen in Beziehungen zu denken. Jetzt aber kommt die BANI-Welt, BANI steht für:
In dieser Welt werden wir auch häufiger nicht nachvollziehbare Handlungen und Entscheidungen sehen. Umso wichtiger kollaborativ und menschliche vertraut zusammenzuarbeiten, gerade über die eigene Unternehmensgrenze hinaus.
In den e-Commerce Pionier- und Boomjahren war das Rezept für erfolgreiche Online-Shops relativ simpel. Produkte verfügbar machen, günstig im Preis sein und Reichweite generieren. Später kamen wir in die Optimierungsjahre. Weil die Reichweite zu teuer wurde, musste die Conversion Rate gesteigert werden, um rentabel zu sein. Dann wurden Marktplätze aus dem Boden gestampft, weil die Margen der eigenen Produkte zu schlecht waren.
Nun sind wir am Ende der Optimierung angelangt und müssen uns die Frage stellen, was Kunden wirklich wollen. Eine Auswahl aus 1000 Hosen wollen sie nicht und günstig gibt’s bei Temu. Kunden verstehen, Kunden begeistern und Kunden binden wird wohl jedes Unternehmen die nächsten Jahre massiv beschäftigen. Wir brauchen ein neues Erfolgsmodell für den Handel von morgen!
Als ich diese These formuliert habe, dachte ich daran, wie oft wir weiterhin Beispiele aus den frühen E-Commerce Jahren verwenden, um aktuelle Online Konzepte zu bewerten. Das Denken in Analogien ist eine der größten Schwächen im Innovationsmanagement. Erstaunlicherweise haben deshalb Unternehmen ohne E-Commerce Erfahrung (z.b. B2B Unternehmen) gerade bessere Karten, spannende neue Konzepte zu entwickeln. Wenn ich mir allerdings so anschaue, wie schwer wir uns tun, neue Technologien offen zu bewerten und selbst zu nutzen (AI Avatare... AI Fotografie...) würde ich die These sogar noch ergänzen mit einem "Wir sind zu alt und zu langsam".