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Im Interview mit Dr. Matthias Schu: „Die E-Food Player müssen raus aus der Schockstarre“

Katrin Grieser
Katrin Grieser
19. Jul. 2023

Als Dozent an der Hochschule Luzern, Berater und Speaker ist Dr. Matthias Schu ein gefragter Experte für eine der komplexesten Branchen des E-Commerce: den E-Food Markt. Auf der K5 Konferenz 2023 hat er uns ein exklusives Interview rund um die heiß umkämpfte und krisengebeutelte Food & Delivery Branche gegeben:

Gab es auf der Konferenz ein persönliches Highlight für Dich?

Das persönliche Highlight war für mich natürlich ganz eindeutig Food & Delivery auf der Stage. Gerade PicNic natürlich. Ansonsten das ganze Drumherum, die Mischung aus Netzwerken, die Leute treffen, gutem Content und natürlich auch die Party gestern Abend. Wirklich eine super Mischung.

Wo siehst Du aktuell die größte Hürde in der E-Food-Branche?

In der konjunkturell bedingten Konsumzurückhaltung der Verbraucher, die immer noch den Gang in den Supermarkt als „gratis“ wahrnehmen und ihre eigene Zeit und den entstehenden Aufwand (ÖV Ticket, Spritkosten etc.) nicht mitrechnen und dadurch den Online-Lebensmittelhandel mit seinen Liefergebühren als teurer wahrnehmen. Hier sind wir klar bei den Themen der nicht wahrgenommenen Opportunitätskosten und einer Verzerrung der Preiswürdigkeit auf Seiten der Verbraucher. Das gepaart mit extremen Kosten- und Effizienzdruck auf Anbieterseite und insbesondere dem schrumpfenden Finanzierungswillen für Konzepte, deren wirtschaftlicher Erfolg in naher Zukunft nicht absehbar ist.

Aber glaubst Du, dass die E-Food Branche auf der Konferenz Learnings davon mitnehmen kann, wie man damit umgeht? Zum Beispiel aus anderen Branchen?

Also ich glaube, E-Food ist in diesem Bereich schon relativ weit und eine der komplexesten Branchen im E-Commerce, was dem E-Food-Markt natürlich zugutekommt. Da hat man die relativ hohe Bestellhäufigkeit, die A-Kunden bestellen dann doch irgendwie 40 bis 45 mal im Jahr. Dadurch sieht die Kohortenstruktur natürlich wesentlich besser aus. Man hat natürlich auch ganz andere Lock-in-Effekte und dadurch dann eben auch Kunden, die immer wieder bestellen. Das heißt, man hat auch eine gewisse Planbarkeit.

Was man beim E-Food natürlich auch gehabt hat, respektive was das Problem ist, ist der Shift von Premium und Bio in Richtung Preis-Einstieg oder Handelsmarke, einfach aufgrund der Inflation. Es ist eine große Challenge, dass sich dadurch natürlich der Warenkorb verändert, auch zu Produkten hin, bei denen die Marge schlechter wird. Der Warenkorb ist zwar weiterhin hoch, inflationsgetrieben natürlich, allerdings sind die Prozesskosten ja auch überproportional angestiegen. Ich glaube diese Delle, die muss man einfach aussitzen. Ich gehe davon aus, dass sich die Situation in etwa sechs bis maximal zwölf Monaten auch wieder normalisieren wird.

Hier sehe ich mehrere Punkte, die ein E-Food Anbieter heute adressieren muss:

  • Eine adäquate Lieferleistung: Mit Fokus Supermarkteinkauf heißt das die Option von Same Day Delivery, die Möglichkeit, bereits ein paar Tage vorher zu bestellen und dabei mehrere Liefer-Slots auswählen zu können, deren Zeitfenster nicht größer als eine Stunde sind
  • Fokus auf großen Frische-Anteil und auch hier besonders auf regionale Sortimente. Gerade regionale Produkte sind einer der Haupttreiber, warum Kunden dauerhaft zu Onlineanbietern abwandern, neben der altbekannten Convenience
  • Gute Qualität der auszuliefernden Produkte
  • Ein aus Kundensicht verständliches und erklärbares Liefergebührenpricing, das aber auf der anderen Seite ebenfalls die Unit Economics des Händlers verbessert und nicht „einfach mal so aus dem Bauch heraus“ festgelegt wurde
  • Einen aus UX Sicht ansprechenden, performanten Shop mit guten Produktbildern, einer guten Suche, Filtern und entsprechenden Produktdetails, der optisch nicht an die Zeiten von Windows 95 erinnert
  • Eine brachiale prozessuale Effizienz und eine hohe Auslastung der Standorte, um über Fixkostendegression die Unit Economics in den Griff zu bekommen

Was glaubst Du, bei welchen Geschäftsmodellen noch wirklich viel ungenutztes Potenzial da ist?

Das ist eine echt schwere Frage. In Bezug auf E-Food würde ich sagen, die gängigen Sachen, die man machen kann, sind alle schon mal ausprobiert worden oder werden gerade ausprobiert. Es zeigt sich ja jetzt auch mehr oder minder der Erfolg oder Misserfolg der Modelle. Gerade Quick Commerce hat groß gewettet, ist hoch geflogen und tief gefallen. Nach dem Motto: hätte funktionieren können, aber es kamen halt die Faktoren Krieg und Wirtschaftskrise dazwischen. Dadurch hat eben das Thema Scaling, also schnell genug wachsen, das hat sich eben jetzt durch die exogenen wirtschaftlichen Gegebenheiten leider in Luft aufgelöst.

Was wünscht Du Dir von den Playern und Kunden der Food & Delivery Branche?

Von den Playern: Dass sie nicht weiter in Schockstarre und dem Status Quo verfallen, sondern aktiv ihre Prozesse unter die Lupe nehmen und weiter an strategischen Projekten arbeiten und Effizienzbestrebungen weiter vorantreiben. Große Hebel sind hier beim Liefergebührenpricing, beim Kommissionieren und auch bei der letzten Meile möglich.

Von den Kunden: Das Verständnis, dass Geiz eben nicht geil ist und dass der Zusatzservice ‘Einkauf kommissionieren, verpacken und bis vor den Kühlschrank tragen’ auch entsprechende Kosten verursacht, die von Liefergebühren in Teilen abgedeckt werden

Worauf muss sich die E-Food-Branche in naher Zukunft noch gefasst machen?

Die derzeit herrschenden exogenen Rahmenbedingungen werden vermutlich noch die nächsten 6-12 Monate anhalten. Und diese Zeit müssen gerade Pure Player ohne großen stationären Händler im Rücken aussitzen. Zudem werden die Venture Capital Summen auch nicht mehr mit denen vergleichbar sein, die zu den Hochphasen bei Quick Commerce geflossen sind.

Wo siehst Du die E-Food-Branche in fünf Jahren?

Bold, aber bei mindestens 6-8% Marktanteil in Deutschland!

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