Spanien ist längst mehr als nur ein beliebtes Urlaubsziel - oder sollte es zumindest sein. Denn in den letzten Jahren hat sich das Land auf der iberischen Halbsinsel zu einem der spannendsten (und größten) E-Commerce-Märkte Europas entwickelt. Während so manch anderer Markt beinahe "auserzählt" wirkt, befindet sich Spanien noch mitten in einer bemerkenswerten Wachstumsphase. Das ist allerdings nur einer von diversen Gründen, um als E-Commerce-Player die Expansion nach Spanien in Betracht zu ziehen. Die Internationalisierung eines Onlineshops klingt ohnehin verlockend – neue KundInnen, mehr Umsatz, globale Expansion. Und Spanien ist ein wachsender Markt mit enormem Potenzial, aber auch mit hohen Anforderungen.
Spanien hat sich in den letzten Jahren zu einem der aufstrebendsten E-Commerce-Märkte Europas entwickelt. 2024 betrug der E-Commerce-Umsatz in Spanien 37 Milliarden Euro, eine Steigerung von über 15 % gegenüber dem Vorjahr. Und schon 2023 haben 87% der InternetnutzerInnen auch online eingekauft. Doch wer schon den Cava-Korken knallen lassen will: Der spanische Markt ist ebenso vielversprechend wie anspruchsvoll. Wer nicht vorbereitet ist, landet sehr schnell auf dem Boden der Tatsachen.
Kurz gesagt: Spanien bietet enorme Wachstumschancen, aber man sollte sich nicht von den einladenden Zahlen täuschen lassen. Wer sich nicht akribisch vorbereitet und vor allem anpasst, wird schnell feststellen, dass der spanische Markt widerspenstig sein kann.
Warum sollten sich E-Commerce-Player also - aller Hürden zum Trotz - zur Expansion nach Spanien wagen?
Der spanische Onlinehandel hat das Level des deutschen Marktes noch nicht ganz erreicht. Doch während man hierzulande nach der großen Euphorie mit einem einstelligen Umsatzplus zu leben gelernt hat, werden im spanischen E-Commerce bis 2027 Wachstumsraten von über 14% erwartet. Und das, obwohl der Unterschied im BIP pro Kopf in Spanien und Deutschland rund 60% beträgt.
Allerdings sollte mit der Expansion nach Spanien nicht mehr allzu lange gewartet werden, denn die ausgesprochen hübschen Wachstumsraten haben Spanien zum viertgrößten B2C-E-Commerce-Markt Europas gemacht.
Besonders stark wachsen derzeit nachhaltige Produkte. Nachhaltige Mode, Bio-Kosmetik und wiederverwendbare Verpackungslösungen finden zunehmend Anklang bei spanischen KonsumentInnen - die zu 45% sogar einen höheren Preis dafür zahlen würden. Allgemein haben hochpreisige Produkte einiges an Potenzial, solange sie einen klaren Mehrwert bieten – denn auch in Spanien gibt es eine wachsende Zahl an KundInnen, die auf Qualität statt auf den günstigsten Preis setzen.
Online-Marketing kann in Spanien bis zu 50 % günstiger sein als in Deutschland – zumindest solange der Markt nicht weiter fragmentiert wird. Google Ads, Facebook- und Instagram-Kampagnen sind in Spanien in vielen Segmenten preiswerter als in der DACH-Region, da der Wettbewerb geringer ist. Wer hier im Zuge der Internationalisierung frühzeitig investiert, kann sich langfristig eine kosteneffiziente Marktposition sichern.
In Spanien reitet Influencer Marketing übrigens noch auf einer sehr hohen Welle - Tendenz weiter steigend. Eine Studie aus dem Jahr 2024 ergab, dass 41% der befragten Unternehmen die Ausgaben für Influencer Marketing um bis 49% erhöht haben. Spitzenreiter unter den europäischen Ländern ist übrigens nach wie vor Deutschland.
Dank EU-Mitgliedschaft entfällt der ganze Stress und das Chaos rund um das Stichwort ‘Zoll’. Lieferungen von Deutschland nach Spanien unterliegen keinen Einfuhrzöllen, was den Markteinstieg erheblich erleichtert. Zu beachten ist jedoch auch hier, dass EU-weit ab 10.000 Euro Jahresumsatz eine lokale Steuerregistrierung fällig wird.
Die Mehrwertsteuer (IVA) beträgt in Spanien standardmäßig 21 %, mit reduzierten Sätzen von 10 % und 4 % für bestimmte Warenkategorien (Unnützes Wissen: Der Satz für Nudeln und Samenöle ist höher als der für Olivenöl. Wer sich das merkt, braucht schon mal keinen Joker bei der 8.000 Euro Frage).
Zusätzlich gibt es spezielle Verbraucherschutzgesetze, die sich von denen in Deutschland unterscheiden. Beispielsweise sind die Anforderungen an Rückgabefristen und Garantieleistungen in einigen Fällen strenger. Die nach EU-Recht festgelegten zwei Jahre an gesetzlicher Gewährleistung hat Spanien bspw. auf drei Jahre erhöht.
Wie immer beim Thema Internationalisierung gilt auch hier: One size fits all gibt es nicht und auch im europäischen Ausland funktioniert die Expansion nur, wenn man flexibel und gut vorbereitet ist. Die drei größten Herausforderungen des spanischen Marktes:
Englisch? Nett gemeint, aber keine Lösung. Eine Website ohne professionelle spanische Übersetzung verliert unweigerlich KundInnen, da nur rund ein Viertel der spanischen Bevölkerung Englisch spricht. In Katalonien und dem Baskenland kann es sich zudem lohnen, Inhalte in den regionalen Sprachen anzubieten, da nach den Autonomiestatuten Katalanisch und Baskisch zu den Amtssprachen der Regionen zählen.
Während die Großstädte in Spanien gut ausgebaute Logistiknetzwerke haben, stellen ländliche Regionen und insbesondere die spanischen Inseln echte logistische Herausforderungen dar. Die Balearen und Kanaren haben zudem eigene Regelungen, die den Versand komplizieren.
Auf den Inseln sind schnelle Lieferoptionen oft nicht möglich, und es fallen höhere Kosten an. Die Kanaren gelten zudem als Sonderwirtschaftszone mit eigenem Steuersystem, was zu zusätzlichen Formalitäten führt.
Wer eine Expansion nach Spanien plant, sollte unbedingt mit spezialisierten Logistikdienstleistern zusammenarbeiten, klare Lieferzeiten kommunizieren und eventuell Inselzuschläge erheben.
Spanien hat mit dem Real Decreto 1055/2022 neue und strengere Vorgaben zur Verpackungsverordnung eingeführt, die im Januar 2025 in Kraft getreten sind. Dieses Gesetz verpflichtet Unternehmen, die Verpackungen jedweder Art in den spanischen Markt bringen, zur Registrierung im Verpackungsregister (Registro de Productores de Producto) sowie zur Erstellung jährlicher Berichte über Verpackungsmengen und Materialien. Wer diese Pflichten ignoriert, riskiert hohe Strafen.
Zusätzlich sind HändlerInnen verpflichtet, sich an Recycling- und Rücknahmesystemen wie ECOEMBES zu beteiligen. Ein weiterer Faktor: Seit 2023 unterliegen nicht recycelbare Plastikverpackungen einer Sondersteuer von 0,45 € pro Kilogramm Kunststoff. Unternehmen, die noch stark auf Einwegplastik setzen, sollten daher dringend auf nachhaltigere Alternativen umstellen.
Spanische KundInnen kaufen bereits oft aus Basis von Influencer-Empfehlungen - 2022 waren es schon 22%. Influencer Marketing – vorausgesetzt, es wird authentisch umgesetzt - kann Wunder wirken. Und noch nutzen ‘nur’ knapp 64% der spanischen Unternehmen Social Media.
Wer sich nicht direkt mit einem eigenen Onlineshop auf den spanischen Markt traut, kann über etablierte Plattformen starten. Neben den bereits erwähnten Größen wie Amazon oder El Corte Inglés, ist für manche Warengruppen auch Zalando eine Option, denn der Berliner Fashion-Marktplatz ist seit 2012 in Spanien aktiv.
Der richtige Versanddienstleister ist entscheidend, gerade im Hinblick auf die komplexe geografische Situation. Etablierte Anbieter wie Correos, SEUR oder MRW bieten die schnellen Lieferoptionen, die spanische KundInnen erwarten und wissen mit den logistischen Herausforderungen umzugehen.
Die Expansion nach Spanien ist keine Aufgabe für Ungeduldige oder Internationalisierungs-Newcomer. Es gibt bedeutend unkompliziertere Ländermärkte für die Expansion aus Deutschland heraus. Wer nicht bereit ist, in Lokalisierung, Logistik und Kundenservice zu investieren, sollte es lieber lassen. Doch für alle anderen gilt: Der spanische Markt bietet enormes Potenzial für langfristiges Wachstum. Wer die richtigen Strategien umsetzt, kann sich hier einen starken und nachhaltigen Wettbewerbsvorteil sichern. Oder, um es auf Spanisch zu sagen: "Quien no arriesga no gana." – Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.