Temu hat sich medienwirksam verpflichtet, kritisierte Geschäftspraktiken zu ändern - um einer Klage durch den Verbraucherzentrale Bundesverband zu entgehen. Ein Erfolg für Verbraucherschützer, doch der Kampf gegen manipulative Online-Strategien geht weiter.
Die chinesische Online-Plattform Temu hat sich nach Kritik, einer Abmahnung und der Drohung einer Klage durch den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zu einer umfassenden Änderung ihrer Geschäftspraktiken verpflichtet. Dies markiert einen wichtigen Sieg für den Verbraucherschutz in Deutschland. Laut Ramona Pop, der Vorständin des vzbv, werden manipulative Verkaufsstrategien und intransparente Preisgestaltungen im besten Fall nun der Vergangenheit angehören.
Vor der Einigung wurden Temu verschiedene Vergehen vorgeworfen: von irreführenden Rabattaktionen über manipulative Designelemente bis hin zu fragwürdigen Produktbewertungen. Diese Praktiken, oft als "Dark Patterns" bezeichnet, sollen nun der Vergangenheit angehören. Insbesondere die Angabe von Referenzpreisen bei Rabatten soll Transparenz schaffen und Verbraucher vor Täuschung schützen.
Doch der Fall Temu wirft ein helles Flutlicht auf größere, strukturelle Herausforderungen im E-Commerce. Alexander Graf, Herausgeber von Kassenzone und Digital-Experte, betont, dass das Geschäftsmodell von Temu auf der Gamification und der Maximierung der Nutzerinteraktion beruht, im Gegensatz zum klassischen Onlinehandel, der auf den reinen Verkauf von Produkten fokussiert ist. Diese Strategie zielt darauf ab, Werbekunden anzuziehen, indem Nutzer möglichst lange in der App verweilen und stellt so eine direkte Konkurrenz zu traditionellen Onlinehändlern und sogar zu Werbegiganten wie Google und Meta dar.
Für deutsche Händler, aber auch für die europäische Wirtschaft insgesamt könnten diese Entwicklungen bedeuten, dass sie sich anpassen oder riskieren müssen, in deutlichen und langfristig schädlichen Verzug zu geraten. Denn die Innovation, Agilität und Risikobereitschaft von Plattformen wie Temu setzen neue Standards in Sachen Kundenakquise, -bindung und -interaktion, die aktuell schwer zu übertreffen scheinen.
Neben den nachvollziehbaren verbraucherschutzrechtlichen Bedenken gibt es auch ernsthafte und zeitgenössische Kritik hinsichtlich der Zollabwicklung und der Umweltauswirkungen der Geschäftsmodelle à la Temu. Der Handelsverband Deutschland (HDE) und zahlreiche Umweltschutzorganisationen kritisieren, dass viele Produkte unter Umgehung von Steuern und Umweltauflagen importiert werden, was sowohl den fairen Wettbewerb als auch die tiefgreifenden Nachhaltigkeitsbemühungen des europäischen Handels untergräbt
Die Einigung zwischen dem vzbv und Temu ist ein positiver Schritt für den Verbraucherschutz in Deutschland. Sie zeigt, dass es möglich ist, offen gegen intransparente und manipulative Geschäftspraktiken auch scheinbar unantastbarer Handelsriesen vorzugehen. Doch der Fall Temu ist auch exemplarisch und beleuchtet die Notwendigkeit von Flexibilität, kontinuierlicher Anpassung und Innovation im deutschen und europäischen (digitalen) Handel, um im globalen Wettbewerb aufholen und bestehen zu können.