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Cross-Border-Handel: So dominieren chinesische Plattformen den westlichen E-Commerce

Esther Schwan
09. Dez. 2024
So dominieren chinesische Plattformen den westlichen E-Commerce

Die Handelswelt verändert sich: Chinesische Plattformen wie Pinduoduo, AliExpress und Shein setzen neue Maßstäbe und dringen immer stärker in westliche Märkte vor. Ihr Erfolg basiert auf durchdachten Strategien, technologischem Vorsprung und einer klaren Ausrichtung auf die Bedürfnisse der KundInnen. So dominieren chinesische Plattformen schon jetzt den westlichen E-Commerce. Und am Ende sitzen wir vor der Frage: Haben wir uns die Probleme, die wir aktuell durch die chinesische Konkurrenz im Westen haben, vielleicht sogar selbst ins Haus geholt?

Wie chinesische Hersteller den Handel im Westen übernahmen

Der Einstieg chinesischer Hersteller in westliche Märkte ist weniger neu, als wir es vielleicht denken mögen. Denn er begann bereits vor einem Jahrzehnt, als Plattformen wie Amazon ihre Tore für chinesische Händler öffneten. Diese Chance wurde sofort genutzt. Chinesische Hersteller boten ihre Produkte ohne Zwischenhändler an, wodurch sie die Kosten niedrig halten konnten.

Die Auswirkungen waren enorm: Produkte, die früher nur über große Marken erhältlich waren, gab es plötzlich direkt vom Hersteller – zu unschlagbaren Preisen. Amazon wurde dabei fast unbemerkt zum Sprungbrett für viele chinesische Firmen. 

Heute stellen Verkäufer mit Sitz in China fast 50 Prozent der 10.000 größten Verkäufer auf Amazon in den USA. Auf den 20 weiteren internationalen Amazon-Marktplätzen fällt ihr Anteil zwar etwas geringer aus, aber er steigt seit Beginn der dedizierten Auswertungen 2016 stetig.

Sie haben auch immer mehr Einfluss auf die Plattform-Transaktionen, das Gross Merchandise Volume (GMV). 2018 verkauften chinesische Händler Produkte im Wert von insgesamt 62 Milliarden US-Dollar auf Amazon und trugen so 20 Prozent zum gesamten GMV von Amazon bei. Bis 2023 wurde ein GMV von 238 Milliarden US-Dollar prognostiziert, was 28,4 Prozent des Gesamtumsatzes von Amazon entspricht.

Aber der Siegeszug chinesischer Händler im Westen macht natürlich nicht bei Amazon halt.

Vom Hersteller zur eigenen Marke

Chinesische Hersteller durchlaufen einen Wandel. Früher produzierten sie fast ausschließlich für westliche Marken, China war die Werkbank der Welt. Heute werden sie selbst zu Marken-Anbietern. Dieser Schritt bringt ihnen nicht nur höhere Gewinne, sondern auch mehr Kontrolle über ihre Produkte.

Plattformen wie Pinduoduo oder Temu helfen diesen Herstellern, ihre Produkte direkt an die KundInnen zu bringen. Sie nutzen Daten, um Trends früh zu erkennen, und arbeiten eng mit den Herstellern zusammen, um neue Produkte schneller auf den Markt zu bringen. Auch die chinesische Regierung unterstützt dabei oftmals die Unternehmen.

China’s Plan für den Handel von Morgen: Silk Road E-Commerce Initiative

Im Rahmen der Belt and Road Initiative, auch Neue Seidenstraße genannt, arbeitet China seit 2013 am Ausbau der globalen Handels- und Infrastruktur-Netzwerke. Das umfasst sowohl Straßen und Schienen sowie Pipelines und Handelsrouten zur See – unterstützt von chinesischen Krediten, gebaut von chinesischen Unternehmen. 

Ein wichtiger Teil der BRI sind aber auch E-Commerce Projekte im Rahmen der Silk Road E-Commerce Initiative, die durch Freihandelsabkommen und starke Investments unterstützt werden sollen. Die Regierung will Zollkontrollen, Datenaustausch und Lieferprozesse erleichtern sowie Kapital bereitstellen, um auch kleinere Anbieter bei der Internationalen Expansion zu unterstützen. Zusätzlich hat China bereits E-Commerce Vereinbarungen mit 31 Ländern getroffen. Die Regierung setzt also voll auf den E-Commerce. Und inmitten dieser Welle stehen Plattformen, die in sehr kurzer Zeit entstehen, explosiv wachsen und den Handel nachhaltig prägen.

Alibaba: Das chinesische Flagschiff

Bei Alibaba von nur einer Plattform zu sprechen, greift natürlich zu kurz. Denn die Alibaba Group umfasst gleich mehrere Plattformen, die jeweils eigene Segmente bedienen. Das Unternehmen Alibaba wurde schon 1999 gegründet und mit alibaba.com ging der erste B2B Marktplatz an den Start – AliExpress ist das B2C-Pendant der Plattform, das sich an KundInnen aus dem Westen richtet.

Im Jahr 2023 machte der E-Commerce-Umsatz ca. 21 % des gesamten Umsatzes der Alibaba Group aus. Und genau diese E-Commerce Aktivitäten will Alibaba nun noch einmal deutlich steigern. 

Kürzlich hat das Unternehmen die Gründung einer neuen E-Commerce-Geschäftseinheit bekannt gegeben, die Synergien zwischen den bestehenden Plattformen fördern und nachhaltiges Wachstum sichern soll. Zur „E-Commerce Business Group“ bei Alibaba werden die Plattformen Taobao, Tmall, AliExpress, Alibaba.com, Lazada, Trendyol, 1688 und Idle Fish zusammengeführt.

Mit diesem Schritt will Alibaba seine Position im zunehmend wettbewerbsintensiven E-Commerce-Markt stärken und das Einkaufserlebnis für VerbraucherInnen verbessern. Gleichzeitig soll sie den Anforderungen der HändlerInnen gerecht werden, indem maßgeschneiderte Lösungen und tiefere Einblicke in Kundenpräferenzen geboten werden – auch mittels Künstlicher Intelligenz

Pinduoduo: Einkaufen leicht gemacht

Eine Plattform, die den Handel gerade ordentlich aufwirbelt ist Pinduoduo (PDD). Ihr Konzept ist denkbar einfach: Spaß am Einkaufen. Statt einer klassischen Suchfunktion setzt PDD auf Inspiration und Gruppenkäufe. PDD forciert Sammelbestellungen mit noch viel günstigeren Preisen. Dazu werden Vorschläge und Angebote den NutzerInnen direkt präsentiert – so entstehen über die Hälfte aller Käufe auf der Plattform rein inspirationsgetrieben.

In China setzt PDD spannenderweise auch auf Markenprodukte. Das zeigt sich in den Zahlen: Während 2019 „nur“ 2 Millionen iPhones über PDD verkauft wurden, machen Markenprodukte mittlerweile einen erheblichen Teil des Umsatzes aus. Brancheninsider gehen davon aus, dass PDD der drittgrößte Absatzkanal für Apple in China werden könnte.

Temu: Der westlich zugeschnittene E-Commerce Marktplatz 

PDD ist als Plattform vor allem in China erfolgreich, aber zur Muttergesellschaft PDD Holdings gehört ein Shopping-Markplatz, den wir alle kennen: Temu. Und damit richtet sich ein chinesischer Player mit einer US-amerikanischen Tochterfirma seit 2022 direkt an die westlichen KonsumentInnen. Eine eigene Marke nur für die internationalen Märkte war ein Schritt, den chinesische Plattformen vor Temu nicht gemacht hatten. Und die Expansion war aggressiv: Die Marketingbudgets von Temu sind fast unvorstellbar - von Super Bowl Werbespots für 21 Millionen US-Dollar bis hin zu zwei Milliarden Dollar Adspend bei Meta.

Damit wurde Temu schnell zur erfolgreichen Shopping-App und führt in den USA immer wieder die Download-Charts an. Aber auch in Deutschland wächst die Popularität des Marktplatzes, der Shopping, Entertainment und extrem günstige Preise schlau vereint.

Gerade erst hat Temu in seinem ersten Transparenzbericht die Nutzerzahlen für Europa veröffentlicht. Dazu ist das Unternehmen verpflichtet, seit es im Mai 2024 von der EU als "sehr große Online-Plattform" eingestuft wurde und deshalb dem Digital Services Act (DSA) unterliegt. Und die Nutzerzahlen haben es in sich: Der Bericht bezieht sich auf die Monate Februar bis Oktober 2024 und hier hatte Temu in der EU pro Monat durchschnittlich 93,7 Millionen NutzerInnen. Deutschland liegt bei den Nutzerzahlen ganz vorne, mit 16,4 Millionen NutzerInnen pro Monat.

SHEIN: Der Fast-Fashion Disrupteur

Ein weiteres - ursprünglich chinesisches - Unternehmen, das im Westen Erfolge feiert, ist SHEIN. In China gegründet hat das Unternehmen sein Hauptquartier mittlerweile in Singapur. Es begann 2011 als kleiner Anbieter von Modeartikeln und hat sich mittlerweile zu einem der wichtigsten Namen in der Modebranche entwickelt.

Shein überzeugt mit seiner Produkt-Launch Geschwindigkeit: Während klassische Marken wie Zara rund 35.000 neue Produkte im Jahr auf den Markt bringen, schafft Shein unglaubliche 1,3 Millionen. Das funktioniert vor allem durch Technologie: Shein beobachtet datengetrieben die Interessen und Suchen der KundInnen und reagiert sofort, indem testweise kleine Kollektionen schnell produziert werden um bei lohnenswertem Absatz die Ordervolumen hochzufahren.

So wirft Shein täglich zwischen 2.000 und 10.000 neue SKUs auf die Plattform und wertet in Echtzeit ihre Beliebtheit aus. Mit seinem Netzwerk aus über 6.000 chinesischen Fabriken kann Shein neue Produkte praktisch on demand bestellen und an die KonsumentInnen weltweit verschicken – zu absurd günstigen Preisen..

In Europa machte Shein 2023 7,7 Milliarden Euro Umsatz - ein Plus von satten 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Weltweit hat Shein mit seinen 36 Milliarden Dollar Umsatz H&M sowie die Zara Gruppe weit überholt. 

Und auch bei den App Downloads zeigt sich die Dominanz der asiatischen Player: Fünf von zehn der beliebtesten Shopping Apps weltweit nach Downloads sind Unternehmen aus China oder Singapur. Temu auf Platz 1, Shein auf Platz 2, Shopee auf Platz 5, Alibaba auf Platz 7 und AliExpress auf Platz 10.

Christina Fontana, Senior Director & Brand Operations EMEA, nahm uns auf der K5 2024 mit hinter die Kulissen von SHEIN. Von Designs bis hin zu einer datengesteuerten Lieferkette, die einen schnellen und günstigen Zugang zu den neuesten Modetrends gewährleistet verändert SHEIN verändert die Art und Weise, wie Menschen einkaufen.

Fazit: Chinas Plattformen dominieren schon jetzt den westlichen E-Commerce

Die Erfolge von Plattformen wie PDD, Shein und Temu zeigen, wie konsequent chinesische Unternehmen - aber auch die chinesische Regierung - ihre Strategien zum Cross-Border Commerce verfolgen. Sie kombinieren günstige Preise mit moderner Technologie und einer klaren Kundenorientierung.

Während westliche Unternehmen oft auf bestehende Strukturen setzen, experimentieren die chinesischen Plattformen mit neuen Ansätzen – und das mit Erfolg. Wir haben uns die Bedrohung quasi selbst ins Haus geholt, nun bleibt abzuwarten, wie die westliche Welt darauf reagiert. Denn mit dem Status Quo werden wir nicht weit kommen.

Sven Rittau
Sven Rittau
CEO | K5
»Du möchtest Innovationen im chinesischen E-Commerce live und mit deinen eigenen Augen sehen? Dann komm' mit auf die Reise nach China! 2025 starten wir erneut auf die K5X-PEDITION Chinese Retail Innovation
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